Die Mauersegler sind schon längst weggezogen, unsere Schwalben sind auch schon Richtung Süden aufgebrochen und die Stare schliessen sich zu grossen Schwärmen zusammen, um auch bald in wärmere Gebiete aufzubrechen. Andererseits kommen aus dem Norden und Nordosten Krickenten, Eichelhäher, Mäusebussarde oder auch Buch- und Bergfinken, um bei uns zu überwintern. Der Vogelzug ist wohl das eindrucksvollste Naturschauspiel, das wir kennen. Alljährlich sind weltweit rund 50 Milliarden Vögel unterwegs.
Vogelzugstrasse Alpenrheintal
Unsere Region ist prädestiniert für den Vogelzug, erstreckt sich unser Tal doch von Nord nach Süd. Es ist deshalb kein Zufall, dass immer wieder besondere Vogelarten bei uns beobachtet werden. So machte unlängst ein Säbelschnäbler, ein bei uns sehr selten zu beobachtender Watvogel, in unserer Region Halt. Gerade Watvögel können Hunderte von Kilometern Nonstopp fliegen. Es ist immer wieder erstaunlich, welche Leistungen und welchen Orientierungssinn die Vögel, im Speziellen die Zugvögel erbringen.

Entstehung des Vogelzugs
Vogelzug gibt es wahrscheinlich seit es Vögel gibt. Die Kontinen- talverschiebung und die wiederkehrenden Klimaänderungen beeinflussten die Wanderungen der Vögel. Unser heutiges Vogelzugsystem wurde vor allem durch die Eiszeiten geprägt, die vor rund 15’000 Jahren zu Ende gingen.
Nach der Eiszeit ermöglichte das wärmere Klima vielen Vogelarten, neue Gebiete in Europa zu besiedeln. Hier fanden sie im Sommer eisfreie Flächen mit reichlich Nahrung, aber kaum Konkurrenz und Feinde. Alljährlich zwang sie der Nahrungsmangel im Winter, wieder Richtung Süden zu ziehen.
Zugvögel und ihre Höchstleistungen
Zugvögel vollbringen unglaubliche Leistungen. Bekannt geworden ist 2007 der Rekordflug einer Pfuhlschnepfe, die von Neuseeland aus 10’200 km non-stopp flog, bevor sie auf ihrem Weg ins Brutgebiet einen Zwischenhalt einlegte. Die ununterbrochene Reise dauerte 9 Tage.
Wie ist so etwas möglich? Langdistanzflieger sind imstande, Darm und Leber stark zu vergrössern, damit die Nahrung schnell verwertet werden kann und so die Flugmuskeln gestärkt werden. Der Rest wird als “Treibstoff”in Form von Fett abgespeichert, der Körper besteht dann aus bis zu 55 Prozent Fett (beim Menschen gilt ein Wert von über 30 % als fettleibig). Wenn nun der Vogel zur langen Reise in den Süden aufbricht, sind die vergrösserten Organe jedoch nur noch Ballast. Deshalb “essen” die Vögel ihre eigenen Organe, die bis zu 25 Prozent schrumpfen.
Wunder der Navigation
Eine Rauchschwalbe muss in der Lage sein, ihr Überwinterungsgebiet im Kongobecken zu finden und bei der Rückkehr in die Schweiz auch den Bauernhof, wo sie alljährlich brütet. Dafür benötigt sie, wie die meisten Zugvögel, zwei Kategorien von Orientierungssystemen: die Richtungsorientierung und die Zielorientierung.
Zu den Systemen der Richtungsorientierung zählen der Sonnen- und der Sternenkompass. Die Position einzelner Sterne oder der Sonne hilft den Vögeln, eine generelle Richtung einzuhalten. Scheint die Sonne nicht oder sind die Sterne verdeckt, nehmen die Vögel das Erdmagnetfeld zu Hilfe. Mit winzig kleinen Eisenteilchen im Körper nehmen sie wahr, wie die Magnetfeldlinien verlaufen.
Die Zielorientierung der Vögel arbeitet mit topographischen Merkpunkten, ähnlich wie wenn Menschen eine Landkarte lesen. In diesem Fall nutzen die Vögel prägende Landmarken wie Gebirge, Flüsse oder Küsten als Leitlinien. Bereits als Jungtiere haben sie die Karte ihres Geburtsorts gespeichert.
Während bei den einen Vögeln das Zugprogramm genetisch festgelegt ist, sodass sie auch alleine ziehen können, ziehen andere im Schwarm und lernen so die besten Zugwege kennen.